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„Zwischen Windelwickeln und Straßenkampf –Mädchen und Frauen in der rechten Szene“


Die „Klischee-Typen“ gibt es nicht mehr - Stattdessen vermeintlich harmloses Engagement schon im Kinder- und Jugendbereich:  Politologin Ellen Esen referierte über „Frauen und Mädchen in der rechten Szene“. Zur Vortragsveranstaltung „Zwischen Windelwickeln und Straßenkampf – Mädchen und Frauen in der rechten Szene“ | März 2012
Ein Bericht von Silke Beckmann (Ladenburger Zeitung/Rhein-Neckar-Zeitung)

„Wer über Rechtsextremismus redet, aber Mädchen und Frauen ausspart, hat das Thema verfehlt!“ Dies ist Ellen Esens Lieblingssatz, und so standen gerade Mädchen und Frauen in der rechten Szene im Mittelpunkt ihres Vortrags mit dem Titel „Zwischen Windelwickeln und Straßenkampf“.
Zu dieser Veranstaltung hatte das Aktionsbündnis „Wir gegen Rechts“ um Sprecher Markus Wittig eingeladen, das seit sechs Jahren informiert und aufklärt – nicht zuletzt, weil „mit dem Aktionsbüro Rhein-Neckar in Ludwigshafen ein Zentrum neonazistischer Umtriebe ganz in der Nähe“ existiert, wie Wolfgang Luppe eingangs sagte. Ellen Esen, Politologin und Pädagogin aus Karlsruhe, ist Referentin in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung, unter anderem mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus, mit dem sie sich seit zwanzig Jahren beschäftigt und in diesem Zuge auch immer wieder zwischen Ost und West unterwegs ist. Vor rund zehn Jahren auf einer Veranstaltung in Thüringen konkret auf Frauen und Mädchen in der Szene angesprochen, stieß sie auf ein relativ freies Forschungsfeld mit wenig Literatur, „die Grundlagenforschung fehlt noch immer“. Esen setzt sich seitdem intensiv mit dieser Thematik auseinander und stellte in ihrem reich bebilderten Vortrag unter anderem zahlreiche Aktive, aber auch Aussteigerinnen vor. Frauen treten als politische Akteurinnen zunehmend in den Vordergrund, fungieren als sogenannte Türöffner, denen man die politische Gesinnung rein äußerlich nicht ansieht: „Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass uns da nicht Klischee-Typen begegnen.“ Rechtsextremistinnen sind gut ausgebildet, Parteistrategen fordern sogar dazu auf, soziale Berufe zu ergreifen und sich im Jugend-Bereich zu engagieren; Hintergedanke ist das Ziehen von Nachwuchs. Beispiel Silvia Kirschner, in den Jahren 2004 bis 2006 NPD-Kreisverbandsvorsitzende im Wartburgkreis: Die inzwischen achtfache Mutter, die sich selbst als „völkische Bioheidin“ bezeichnet und eine Schimpfwortkasse führt, die auch bei der Verwendung von Anglizismen gefüttert werden muss, arbeitet aktiv im schulischen Elternbeirat – von Eltern trotz des Wissens um ihre Gesinnung gewählt. Oder aber Edda Schmidt, bis vor Kurzem Bundesvorsitzende des „Rings Nationaler Frauen“. Der Typ „Volksmutter“, der auf den ersten Blick so harmlos wirkt. „Der heutige Rechtsextremismus ist nicht festgelegt auf ein bestimmtes Frauenbild.“ Hinzu kommt, dass Einstellungen verkannt und sogar heruntergespielt werden: „Sie dürfen das nicht so eng sehen“, nahm ein Religionslehrer seine Schülerin trotz eindeutiger Aussagen in Schutz; sie sei schlicht „ein bisschen naiv“.

Kernbegriff Rechtsextremer ist die „Volksgemeinschaft“, wobei „Volk“ sehr eng, nämlich als rassisch rein definiert wird und etwa Juden, Muslime, Homosexuelle oder Menschen mit Migrationshintergrund ausklammert.
Ellen Esen stellte diverse Gruppierungen und Organisationen vor, präsentierte eindeutige Zeichen, einschlägige Symbole, Parolen und Wahlwerbung. Angebot und Nachfrage funktionierten, meint sie angesichts der zu Demonstrationszwecken mitgebrachten „Speerspitze des Eisbergs“: darunter für den „arischen Nachwuchs“ entsprechend bedruckte Kleidungsstücke, denn „man muss den Wahnsinn mal gesehen haben“.

Auffällig sei, dass Frauen in militanten Gruppen zunehmend am Start sind, der Frauenanteil bei Tatbeteiligung an rechtsextrem motivierten Straftaten liegt mittlerweile bei zehn Prozent. Grundsätzlich warnt Esen davor, die Gefahren aus der rechten Szene zu unterschätzen. Handlungsbedarf liege in der Sensibilisierung für die Thematik auf allen gesellschaftlichen Ebenen, wozu auch die Entwicklung spezifischer Angebote in der Prävention beinhaltet: „Insbesondere Frauen und Mädchen müssen aufgeklärt werden über Anwerberversuche der extremen Rechten.“ Esen spricht sich klar dafür aus, dass nicht nur der historische, sondern auch der moderne Nationalsozialismus in die schulische Ausbildung gehöre. Die Jugend wisse zudem wenig über historische Zusammenhänge: „Historische Kenntnisse sind beängstigend gering.“